Land ohne Hausärzte

Vaihingen-Ensingen (dh) „Was hält junge Mediziner von der eigenen Dorfpraxis ab?“ war das Thema der Liberalen Gesprächsrunde. Anlass zum Thema gab die bislang erfolglose Nachfolgersuche des Ensinger Hausarztes Dr. Michael Sgoda. Björn Vetter, Vorstandsmitglied und Beisitzer für Ensingen im FDP Ortsverband schlug daher eine Gesprächsrunde zu dieser bundesweit vorhandenen Problematik vor.

Das Problem ist vielschichtig und hat persönliche, demographische, strukturelle und finanzielle Gründe. Diese konnte aus der Praxis heraus und durch Literatur belegt der Experte des Abends erläutern: Dr. Christian Schmidt ist aus persönlichen Gründen vor drei Jahren mit seiner Familie nach Vaihingen gezogen und hätte sich eigentlich gerne mit einer Arztpraxis niedergelassen. Da er neben dem Facharzt für Allgemeinmedizin noch über weitere Qualifikationen verfügt, nahm er stattdessen eine leitende Funktion in einer Klinik im Landkreis Calw an. Zu seiner Entscheidung meinte er lakonisch: “Zuviel Arbeit, zu wenig Einkommen, und das dann 35 Jahre ohne Berufsperspektive?“

Der stellvertretende Vorsitzende des FDP Ortsverbandes Dr. Lukas Braun legte dazu Zahlenmaterial und Ergebnisse einer Kleinen Anfrage aus dem Landtag vor. Die Gründe der wachsenden Versorgungslücke in der ambulanten Gesundheitsversorgung sind bekannt: Die jungen Mediziner streben vorwiegend nach einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis im städtischen Umfeld und zunehmend in Teilzeit. Unzufrieden macht, dass durch immer weiter steigende bürokratische Vorgaben wichtige Zeit für Behandlungen der Patienten verloren geht. Vor allem auch die Zwangsrationierung durch die Budgetierung hat zu einer Unterfinanzierung der medizinischen Versorgung v.a. in den ländlichen Regionen geführt.

Besonders die Bürokratie und die Budgetierung (z.B. pro Patient 10 Minuten einschließlich Gespräch und Dokumentation) wurde in der Runde von Teilnehmern aus Medizinberufen und Laien heftig kritisiert. Viele kritische Punkte wie die nicht ausreichenden Studienplätze, der längst überholte Numerus Clausus (Abiturnote) für Medizinstudenten, wie überfüllte Notfallstationen, Fachkräftemangel, ausländische Ärzte sowie deutsche Ärzte im Ausland, die dort bessere Bedingungen vorfinden, beschäftigten die Gesprächsrunde. Die Einrichtung der „Telemedizin“ ist im Sinne einer Ergänzung bzw. Entlastung des Sprechstundenangebots für einfachere Diagnosen willkommen, sie sollte nur nicht in ein Konkurrenzverhältnis zum regulären Sprechstundenbetrieb und dessen sozialer Bedeutung treten. Von Dr. Schmidt wurde auch der Lösungsvorschlag „Medizinische Versorgungszentren“ vorgestellt und das Genehmigungsverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) diskutiert.

Keine fertigen Lösungen konnten festgestellt werden, aber eine Sensibilisierung für die Themen und das „Denken wir neu“, das Querdenken der Freien Demokraten, das Vorsitzender Roland Zitzmann angesichts der schwierigen Lage der ambulanten und stationären Versorgung im Land mit auf den Weg gab.

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